Das Stadtbild wird zunehmend privatisiert und ökonomischen Interessen untergeordnet, welchem wir kaum etwas entgegen setzen können. Die Verwertungslogik der kapitalistischen Codes ist eine Form der Herrschaftsausübung auf symbolischer Ebene. Unter der Voraussetzung, dass sich mit der Virtualisierung der Warenwelt die Erzeugung von Werten zunehmend in ihrer Rezeption vollzieht, besteht eine Chance, die Wertschöpfungsmechanismen zwar nicht zu durchbrechen, aber doch für eigene Zwecke umzufunktionieren. Durch diese Umnutzung und der dadurch entstehenden Umcodierung besteht die Möglichkeit der andersartigen Erzeugung symbolischer Gebrauchswerte, der Produktion eigener Zeichen, innerhalb der gesellschaftlichen Produktionsmaschine von Zeichen. Die Insurrektion kann hier nicht auf tatsächlichen Kräfteverhältnissen, sondern nur auf Differenz beruhen.
Diese Schlussfolgerung liegt den Subversionsstrategien zugrunde, die z.B. unter Begriffen wie »Streetskaten« in Formen der Aneignung, der Destruktion, der Parodie und der Verfremdung von Architektur und Urbanität zur Anwendung kommen. Skateboarding ist in erster Linie Inszenierung eines oppositionellen Verhaltens, das Alternativen zum System der Subordination aufzeigt. Der eigene Körper wird eingesetzt, um ein Verbot öffentlich zu übertreten und die Verantwortung dafür zu übernehmen. Botschaften und Bedeutungen existieren nicht an sich, sondern sie müssen in Konfliktaustragungen und sozialen Interaktionen erlernt und vermittelt werden. Ein Vorteil dieser Technik liegt darin, dass der Skateboarder die millionenschwere Architektur des Gegners für sich arbeiten lassen kann. Streetskaten kann als das Erzeugen von Widerstand gegen die hegemoniale Architektur verstanden werden. Sie attackieren die Architektur und transformieren deren Botschaft in eine kritische Einschreibung, die einem Abbruch gleichkommt. Streetskaten ist eine gegen die Architektur gerichtete terroristische Aktion, die deren Symbolik angreift. Diese Praktiken scheinen gegenwärtig eine Chance zu bieten, den Inklusions- und Entmündigungsmechanismen der kapitalistischen Verwertungslogik zumindest punktuell zu entgehen und gleichzeitig ein kritisches Bewusstsein für diese Verwertungsprozesse zu schaffen.
Streetskaten leitet sich vom Sidewalk Surfing ab, das sich wiederum vom Wellenreiten ableitet. Streetskaten ist für unsere Zeit das, was die Graffitibewegung für die 1970er bedeutete. Die künstlerische Strategie dieser neuen Form des zivilen Ungehorsams besteht darin, den Konflikt als Form gesellschaftlicher Auseinandersetzung wieder zu legitimieren und eine neue Grammatik des Politischen zu etablieren.
Im Rahmen der Ausstellungsreihe »Urban Scans« untersucht Silke Wagner Möglichkeiten der Rückeroberung und Aneignung, der Umnutzung und Umcodierung des zunehmend privatisierten öffentlichen Raums. Wo und in welcher Form findet solch eine Aneignung statt? Welches politische Bewusstsein verbirgt sich hinter Streetskaten? Können solche Strategien der kapitalistischen Verwertungslogik tatsächlich entgehen und schaffen sie es, ein kritisches Bewusstsein für urbanistische Entwicklungen zu fördern?
Im Rahmen der Ausstellung erscheint der Stadtplan »skatespots münchen« von Silke Wagner, der kostenlos erhältlich ist im kunstraum muenchen, oder gegen € 1,00 Porto zugesandt wird.
Kuratiert von Dr. Luise Horn.
Ortstermine 2004 ist eine Initiative der Landeshauptstadt München/Kulturreferat.
»Urban Scans« wird gefördert durch die Kulturstiftung des Bundes.
Termine:
Donnerstag, 17. Juni 2004, 19 Uhr: Eröffnung
Freitag, 18. Juni 2004, 19 Uhr: Vortrag Marius Babias (Berlin), »Herrschaft und Subordination: Politische Repräsentation im Stadtraum«
Donnerstag, 15. Juli 2004, 20 Uhr: Vortrag: Prof. Iain Borden (London), »Don’t Shop, Skateboard. Oder warum Skateboarden für Städte gut ist« (Veranstaltungsort: Akademie der Bildenden Künste, Schellingstr. 33 Rgb., Raum 206b)