Vom 27. November bis 21. Dezember 2008 setzt der kunstraum anlässlich seines 35-jährigen Bestehens die Auseinandersetzung mit seiner Geschichte fort, nachdem bereits im Rahmen des Eröffnungsfestivals im April diesen Jahres die erste Ausstellung von Richard Tuttle sowie die Umstände der Gründung des kunstraum muenchen in den Blick genommen wurden.
Die Ausstellung „Fortschritt? Gibt’s nicht, Michael von Biel, München 1973“ hält Rückschau auf den Künstler und Komponisten Michael von Biel, dem 1973 die zweite Ausstellung des damals neu gegründeten kunstraum muenchen gewidmet war. Zudem werden „Editionen und Publikationen des kunstraum muenchen", die zwischen 1973 und 2008 herausgegeben wurden, gezeigt.
Michael von Biel ist heute – im Gegensatz zu Richard Tuttle, Agnes Martin, Blinky Palermo oder anderen Künstler/innen, die der kunstraum in den 1970er Jahren ausstellte – innerhalb der Kunstszene nur mehr wenigen ein Begriff. Dies mag darauf zurückzuführen sein, dass von Biel nicht nur als bildender Künstler tätig war, sondern vor allem als Komponist hervorgetreten ist.
Von Biel, geboren 1939 in Hamburg, kam in den frühen 1960er Jahren mit der Neuen Musik in Kontakt. Er studierte Komposition bei Morton Feldmann und Karlheinz Stockhausen und arbeitete zeitweise mit John Cage und David Tudor zusammen. Auch auf dem Gebiet der elektronischen Musik fand von Biel zu neuen experimentellen Ausdrucksformen, etwa in dem er in seinen Kompositionen der Auslotung von Klängen und Geräuschen sowie der Improvisation und deren grundlegenden Parametern mehr Bedeutung einräumte: Klassische Instrumente werden auf ihr gesamtes Klangspektrum hin erkundet, teils elektronisch verzerrt und mit Tonband-Aufnahmen oder auch „mikrophonierten (Garten-)Grills“ kombiniert.
Von Biel gehört in das Umfeld des wegweisenden Feedback Studios in Köln, wohin er 1966 übersiedelt war. Hier kam von Biel mit Künstlern der Fluxus-Bewegung in Kontakt und nahm 1968/69 ein Kunststudium bei Joseph Beuys an der Düsseldorfer Kunstakademie auf. Fortan widmete er sich vorwiegend der Bildenden Kunst. Seine frühen bildnerischen Arbeiten setzen sich vor allem mit den Möglichkeiten der Zeichnung auseinander, die er auf damals aktuellem konzeptuellen Reflexionsniveau betrieb. Auch seine Ausstellung im kunstraum 1973, zu der ein Katalog erschien, war vor allem seinem zeichnerischen Werk gewidmet. Bis heute ist Biel als bildender Künstler tätig.
Die Ausstellung zeigt 20 Exemplare der Editionsserie, die Biel 1973 für den kunstraum anfertigte und an das Post-Minimal der frühen 1970er Jahre anschließt. Die Editionen wurden in blauem Klebeband auf weißem Papier ausgeführt. In einer Audioinstallation werden darüber hinaus Einblicke in das frühe musikalische Werk Biels gegeben.
In Anlehnung an das Statement „Fortschritt? Gibt’s nicht“ von Michael von Biel aus dem Jahr 1971 stellt die Ausstellung die Frage nach den Anfängen des kunstraums und versucht aus der zeitlichen Distanz von 35 Jahren, die künstlerischen und kompositorischen Arbeiten Michael von Biels im Kontext der 1960er und 1970er Jahre wie auch im Hinblick auf die Bedeutung entsprechender künstlerischer Prinzipien für die gegenwärtige Kunstproduktion zu verhandeln.
Eine Podiumsdiskussion am 19. Dezember 2008 mit dem Titel „Fortschritt. Gibt’s nicht! – Oder doch?“ wird dieses Thema vertiefen und die Frage nach Fortschrittskonzeptionen im Bereich der modernen Kunst und Musik stellen. Aus interdisziplinärer Perspektive diskutieren Astrit Schmidt-Burkhardt (Bildwissenschaftlerin und Kuratorin/Salzburg), Holger Schulze (Komparatist und Kulturwissenschaftler/UdK Berlin), Hans-Jürgen Hafner (Kunstkritiker und Kurator/Berlin) und Stephan Dillemuth (Künstler und Kritiker, Professor Akademie der Bildenden Kunst/München).
Ergänzt wird das Programm durch einen Konzertabend am 20.12.2008 in Form einer zeitgenössischen improvisatorischen Annäherung an ein Cello-Stück „mit elektronischer Modulation“ mit den Musikern Mathis Mayr (Cello) und Mathis Nitschke (elektronische Modulation) – eine Biel-Komposition, die anlässlich der Ausstellung im kunstraum 1973 im Lenbachhaus gespielt worden war.
Während der Ausstellung besteht für Besucher die Möglichkeit, Einsicht in sämtliche Kataloge und Editionen des kunstraums zu nehmen. Damit soll einmal mehr der umfangreichen, 35-jährigen Editions- und Publikationstätigkeit des kunstraums ein öffentliches Forum geboten werden.
Kuratiert von Daniela Stöppel und Katrin Kaschadt
Audioinstallation: Volker Möllenhoff
Termine
Mittwoch, 26. November 2008, 19 Uhr: Ausstellungseröffnung
Freitag, 19. Dezember 2008, 19 Uhr: „Fortschritt. Gibt’s nicht. – Oder doch?“ Diskussion mit Stephan Dillemuth (München), Hans-Jürgen Hafner (Berlin), Astrit Schmidt-Burkhardt (Salzburg) und Holger Schulze (Berlin)
Samstag, 20. Dezember 2008, 19 Uhr: Mathis Mayr (Violoncello) und Mathis Nitschke (Elektronik) spielen „Improvisation mit Biel“