Bei seiner Gründung setzte sich der Kunstraum in seiner Satzung unter anderem das Ziel, Kompositionen neuer Musik aufzuführen. Die entsprach ganz dem Zeitgeist der 1960er und 1970er Jahre und der Vorstellung von „E-Musik“ und Fluxus als zeitgemäßer avantgardistischer Ausdrucksform. Dem lag nicht zuletzt die Vorstellung zugrunde, dass Kunst und Musik auf formalästhetischer Ebene eine gesellschaftsverändernde Kraft entwickeln können. Gegenwärtig werden in der kunsttheoretischen Debatte Vergleiche von Kunst und Musik auf formaler Ebene jedoch allenfalls als naives Kunstverständnis abgetan.
Anhand des Werks des Fluxus-Künstlers Henning Christiansen (1932–2008) soll nun die Frage gestellt werden, wie wir uns heute dem damals vertretenen Avantgarde-, Werk- und Authentizitätsbegriff nähern können und welche Chancen und Anknüpfungspunkte er möglicherweise für unsere Gegenwart bereit halten könnte.
Henning Christiansen, der in den 1950er Jahren in Kopenhagen an der Königlichen Musikakademie Komposition studierte, war ab den 1960er Jahren wichtiger Protagonist der avantgardistischen dänischen Kunstszene, zu der auch Troels Anderson, Adi Koepcke, Per Kirkeby oder Poul Gernes gehörten. Über die Fluxus-Bewegung kam er in Kontakt mit Joseph Beuys, mit dem er gemeinsam verschiedene Performances und Happenings inszenierte. Bis zu seinem Tod realisierte er nicht nur zahlreiche Aktionen und Performances, sondern hinterließ auch ein umfassendes bildnerisches Werk. Sein Kunstbegriff ist von der grundsätzlichen Überzeugung geprägt, mit Kunst und Musik gesellschaftlich wirksam werden zu können. Seine anti-akademische, am Rituellen interessierte und oft kollaborative künstlerische Praxis („my friends are my capital“) geht von einer Betonung des Arbeitens im Hier und Jetzt aus („In every action I always try to be as existential as possible“).
In drei thematisch fokussierten Veranstaltungen werden nun verschiedene, teils lange vergriffene Kompositionen von Christiansen, die größtenteils auf Vinyl veröffentlicht wurden, einem Publikum zugänglich gemacht. Die Themen werden sein: Christiansen und Dänemark, Christiansen und Beuys, Christiansen und Fluxus. An die Public-Listening-Serie wird Ende des Jahres ein Projekt anschließen, in dem das kompositorische Werk Christiansens im Kontext mit der Malerei des in Berlin lebenden Künstlers Matthias Dornfeld (*1960) verhandelt wird.
Termine:
× Freitag, 8. März, ab 19 Uhr, open end
Dänischer Abend
1981 erschien die Christiansen-Platte „Kirkeby und Munch“, deren Cover auf einer Übermalung von Kirkeby basiert. Dieses Gemälde war nicht nur 1984 im Kunstraum ausgestellt und im begleitenden Katalog abgedruckt, sondern zeigt auch die engen Verbindungen zwischen bildenden Künstlern und Komponisten in Dänemark. Während des Abends werden nicht nur mehrere Schallplatten in voller Länge gespielt, die diese (interdisziplinäre) Kollaboration explizit thematisieren, sondern auch ein Word-Piece von Arthur Koepcke und kollaborative Projekte mit Poul Gernes vorgestellt.
Das Setting im Kunstraum erlaubt einen Einstieg während des ganzen Abends (ca. 4 h) und sowohl einen diskursiven als auch kontemplativen Zugang.
× Samstag, 9. März, ab 16 Uhr (Dauer ca. 4 Stunden)
Beuys-Nachmittag
Henning Christiansen arbeitete mehrfach eng mit Joseph Beuys zusammen, u.a. in den Aktionen „Manresa“ und „Eurasienstab“. Die legendäre „Abschiedssymphonie“, ein Happening, bei dem Beuys über Telefon zugeschaltet war, wurde später von Christiansen bearbeitet und als Schallplatte herausgegeben. Wir spielen die Aufnahmen in voller Länge und zeigen diverse Filmaufnahmen, um der tragenden Rolle, die Henning Christiansens Musik für die performativen Handlung spielte, nachzugehen.
× Sonntag, 10. März, ab 12 Uhr (Dauer ca. 4 Stunden)
Fluxus-Matiné
Im Unterschied zu vielen anderen Fluxus-Künstlern war Henning Christiansen ausgebildeter Komponist und auch als professioneller Klarinettist tätig. Während seine ersten Kompositionen durchaus noch unter dem Begriff „Neuer Musik“ zu fassen sind, gelangt er Anfang der Sechziger Jahre zu einem seriellen Kompositionsstil, wie ihn zeitgleich beispielsweise Terry Riley praktiziert, um dann in der Auseinandersetzung mit Fluxus zu experimentelleren Formen des Komponierens und zu verschiedenen Formen des Happenings und der Montage zu finden: Musiker werden zu handelnden Protagonisten, Aufnahmen von Tierlauten aus dem Zoo in Rom fügen sich in dichten Soundcollagen neu zusammen und die Partituren, die bei Christiansen oft sehr genau auskomponiert angelegt sind, werden freier und offener.