Wir freuen uns, die erste Einzelausstellung von Fari Shams (1976) in München präsentieren zu können. Die Künstlerin lebt in Düsseldorf und London und hat in London, Chicago und Düsseldorf studiert.
In Zeiten zunehmender Unübersichtlichkeit beschäftigt sich Fari Shams mit Strategien der Ordnung und des Zugriffs auf die (Bild-)Welt. Auswahlkriterien und Sinnstiftung werden als ein in höchstem Maße selektiver, gestalterischer Prozess entlarvt. Im Zentrum ihres Schaffens steht die Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Repräsentationen von Natur und Geschichte, dabei werden Verbindungen zwischen verschiedenen Disziplinen, zwischen Wissenschaft und Kunst hergestellt. Die Künstlerin interessiert sich für grundlegende Systeme der Wissensordnung und -präsentation. Ihre Arbeiten sind von der Auffassung geleitet, dass der Erkenntniswert von hierarchischen Systematisierungs- und Klassifikationssystemen – wie sie ebenso in den Sprach- und Naturwissenschaften wie auch im Umgang mit Artefakten und Kunstgegenständen verwendet werden – vor allem Aussagen über ihren eigenen ideologischen Gehalt zulassen, weniger aber über den jeweiligen tatsächlichen Bildgegenstand.
Im Kunstraum zeigt Fari Shams einen Bildatlas aus Daten eines globalen Archivs, der mit Bildern heterogenen Ursprungs sowie unterschiedlichen Präsentationsformen (Tischpräsentation, Wandinstallation oder Projektion) arbeitet. Als Grundlage für die Bildauswahl und -anordnung dient der Künstlerin eine Vorlesung des amerikanischen Historikers John Merriman über Peter den Großen, die sie verschiedenen Klassifizierungssystemen unterzieht. Das vorgefundene Bildmaterial entstammt privaten und öffentlichen Bildquellen, so dem TIME Magazine oder den Online-Archiven der Library of Congress und der New York Public Library. Neben einfachen, neutralen Strukturen wie Schlagwort oder alphabetische Ordnung der Bildunterschriften wendet Fari Shams auch komplexe und kulturell determinierte Systeme der Klassifizierung an. Indem die Künstlerin mit diesen unterschiedlichen Herangehensweisen des Klassifizierens arbeitet und diese auf die vorgefundene Bildwelt anwendet, zeigt sie die subjektive Natur eines jeglichen Klassifizierungssystems auf, das zu jedem Zeitpunkt von den Entscheidungen seines Autors abhängt. Der Betrachter vermag inmitten der Bilderflut eine eigene Position herauszubilden, aber auch hinter der unendlich scheinenden Lesart einen Anhaltspunkt zu erkennen, der unweigerlich auf die Klassifizierung als System, als Apparat zurück führt. Dabei wird ein künstlerischer Ansatz sichtbar, der fotografische Praxis als kulturelles, politisches, ästhetisches und soziales Phänomen begreift und das gesellschaftliche und ästhetische Umfeld der Bilder in den Blick nimmt.
Zugleich bietet die Beschäftigung mit unterschiedlichen Ordnungssystemen auch die Möglichkeit, sich der fortwährenden Obsession anzunähern, Fakten und Bedeutungen zu erfassen. Durch die Verwurzelung in einer konzeptuellen Tradition untergräbt Fari Shams die Lesarten der klassischen Fotografie. Die Künstlerin zeigt nicht nur die Bedingungen von Präsentation und Repräsentation, von Manipulation, Täuschung und visuellen Schlüsseln, sondern setzt sich auch mit den Apparaten der fotografischen Produktion, Auswahlkriterien und Bildmotiv-Inszenierungen auseinander.
Kuratiert von Dr. Patricia Drück
Die Ausstellung wird gefördert von der Kunststiftung NRW sowie der Erwin und Gisela von Steiner-Stiftung.