Am 7. November 1917 hielt Max Weber im Rahmen einer studentisch organisierten Vorlesungsreihe in München einen Vortrag, mit dem er auf eines der zentralen Themen seines Denkens fokussierte: »Die Entzauberung der Welt«. Die moderne Wissenschaft befreite den Menschen von irrationalen Erklärungen und bot rationale Werkzeuge an, um die Realität zu meistern – dabei beschneidet sie aber auch den Wert aller anderen Formen der Erkenntnis und der Freude, die sie dem Menschen bereiten. Die Wissenschaft selbst ist nicht in der Lage, eine Antwort auf wesentliche Fragen zu geben, wie sie der russische Schriftsteller Tolstoj klar formuliert hatte: »Was sollen wir tun? Wie sollen wir leben?«
Hundert Jahre nach Max Webers Vortrag wird der Kunstraum zu einem Ort der Forschung und Reflexion über diesen Zustand, der besonders charakteristisch für die westliche Kultur ist.
Der Kunstraum lädt fünf Künstler ein, mit ihren Interventionen das »Monopol der Wahrheit« aufzubrechen. In den Ausstellungsräumen soll ein Prozess der »Wiederverzauberung« ausgelöst werden, so wie ihn der Theoretiker und Ökologe Serge Moscovici unter Einbezug der künstlerischen Tätigkeit vorschlug: »[…] eine Sammlung von fühlbaren Realitäten, die sich kombinieren und darstellen lassen […] Ereignisse des Alltags, Sonnenuntergänge, Windböen, die Einsamkeit der Wesen, die Isolation des Geschaffenen, Nuancen der Seele, dies sind alles Reize, Themen, die den Menschen ein Szenario bieten, das ihren Wünschen, den Bedürfnissen des Zeitgeistes, der Natur im Ganzen entgegenkommt […]« [1].
Die Arbeiten von Federico Cavallini, Daniel Maier-Reimer mit Luca Vitone, Margherita Moscardini und Stefan Vogel geben eine nicht festgelegte und nicht vorgegebene Weltanschauung wieder, die Energien freisetzt und die Berührungspunkte mit der Realität multipliziert. Sie bringt außerdem verschiedene Kategorien des Denkens in Zusammenhang und lässt durch die Vorstellungskraft neue Formen der Erkenntnis zu.
»Wiederverzauberung – Re-Enchantment« ist eine gemeinschaftliche Ausstellung von Emily Barsi, Kuratorin des Kunstraums München, und Alessandra Poggianti, freie Kuratorin und Co-Direktorin des Kunstvereins Milano.
[1] »Il reincantamento del mondo« di Serge Moscovici in »Sulla Natura«, Il Saggiatore, Milano 2005.