MANGO ist der Titel der ersten institutionellen Einzelausstellung des belgischen Künstlertrios Leo Gabin in Deutschland, die aktuelle Videos, Malerei und Skulptur präsentiert. Mango ist auch die Geschmacksrichtung einer amerikanischen Kaugummimarke, die in einem der Werke ins Bild rückt. Betörend intensiv, extrem kurzweilig und irgendwie fragwürdig – so funktioniert Fruchtkaugummi. Genau so verhält es sich auch mit dem Zeitgeist der Internetkultur, den Leo Gabin in seinen Arbeiten untersucht und spiegelt.
Medienarchäologen gleich durchforsten die Künstler öffentliche Internetportale auf der Suche nach privaten Amateurvideos, die das Selbstbild und Gesicht der YouTube-Generation prägen. Wiederkehrende Motive werden gesammelt, nach Themen sortiert und zu einem einzigen Clip zusammengeschnitten. So etwa basiert die Arbeit „Girls Room Dance“ (2010) auf zahlreichen Ausschnitten aus Videos, in denen sich leicht bekleidete Mädchen beim privaten Booty Dance filmen. „Hair Long“ (2012) bezieht sich auf ein Internetphänomen, das Teenager aus der wohlhabenden amerikanischen Mittelschicht popularisiert haben. Dabei präsentieren junge Mädchen sehr detailliert und stolz den Inhalt ihrer Schultaschen und Schminktäschchen. Hier, wie auch in den übrigen Clips, arbeiten die Künstler mit schnellen Bildschnitten, Hip-Hop-Musik oder anderweitigem Ton, um die Bildfolgen zu animieren oder zu verfremden. Kein Video dauert länger als drei bis vier Minuten.
Im Ergebnis stehen Arbeiten, die den populären Umgang mit dem Internet-Medium nicht nur untersuchen, sondern auch simulieren, und in dieser Verdichtung eine Reihe von Fragen aufwerfen. Wie nutzen heutige User das Internet, um sich persönlich auszudrücken? Warum erfreuen sich parasoziale – d.h. virtuelle – Interaktionen solcher Beliebtheit? Wie steht es dabei um die Individualität und Authentizität der einzelnen Akteure? Ist das Ich im Begriff, sich in der Anonymität der digitalen Welt aufzulösen oder darin eine neue, umfassendere Subjektivität zu finden?
Auch in den Gemälden arbeitet Leo Gabin mit dem Material unserer Medien- und Konsumkultur. Hier treffen per Siebdruck transferierte Bilder und Motive auf malerische Gesten, wobei der weiße Bildhintergrund in weiten Teilen sichtbar bleibt. Kaum ein anderes Medium ist so sehr mit der Erwartung nach dem Ausdruck eines authentischen Ichs verknüpft wie die Malerei. Zwar haben Künstler wie Andy Warhol und Robert Rauschenberg gehörig an den Grundfesten dieses romantischen Konzepts gerüttelt, aber damals wie heute erscheint es als Widerspruch, wenn die Mechanismen der seriellen Massenproduktion in den Raum der Malerei eintreten oder mehrere Künstler als Autoren eines Gemäldes auftreten. Bei Leo Gabin löst sich diese Spannung keineswegs auf. Das malerische und das mechanische stehen hier gleichberechtigt nebeneinander und bisweilen erscheint es sogar fast so, als ob die Authentizität der Malerei nur noch im Zitat existiert: mal als expressiver Kontrapunkt zur kitschigen Konsumwelt, mal als formaler Simulator einer mechanisch übersetzten Bildwelt.
Leo Gabin besteht aus drei Künstlern (Lieven Deconinck, Gaëtan Begerem und Robin De Vooght), die seit 2000 zusammenarbeiten. Das Trio lebt und arbeitet in Ghent, Belgien, und hat neben zahlreichen Ausstellungen im internationalen Kontext auch an wichtigen Gruppenausstellungen in Deutschland teilgenommen, zuletzt im Rahmen der Ausstellung Privat an der Schirn Kunsthalle in Frankfurt (2013). Jüngste Einzelausstellungen: Elizabeth Dee Gallery in New York (2013) und Peres Projects in Berlin (2012)
Die Ausstellung knüpft im Rahmen des Jubiläumsprogramms 40 Jahre Kunstraum! an den Themenblock „Kollaborationen“ an, der mit der Ausstellung Of Two Minds. Mahlergruppe eröffnet wurde.
Kuratorinnen: Iris Mickein und Sabine Weingartner.
× Eröffnung: 12. September, 19 Uhr, ab 21 Uhr Bar
× Open Night mit den Künstlern: Freitag, 13. September, 18 – 21 Uhr
Die Ausstellung wird gefördert durch das Kulturreferat der Landeshauptstadt München, die pbb Stiftung Deutsche Pfandbriefbank und Finbridge GmbH & Co. KG.