Künstlergespräch mit Li Xiaofei und Alexander Steig
Das virtuelle Gespräch fand am 08.05.20 via Zoom statt und wurde erfreulicherweise von unserem Kooperations-partner, dem Konfuzius-Institut München, in Zusammenarbeit mit der Stiftung Ex Oriente, organisiert und aufgezeichnet.
»Assembly Line« (dt.: Fließband) ist eine seit 2010 fortlaufende Serie von Videoarbeiten des chinesischen Künstlers Li Xiaofei. Er untersucht im direkten Umfeld von Warenproduktion filmisch Prozesse des sozialen Wandels vornehmlich in China, aber auch auf globaler Ebene. Derzeit gibt es zwei Phasen des Projekts. Die erste Phase von 2010–2013 konzentrierte sich nicht nur auf Video als Form, sondern auch als Werkzeug zur Analyse der Fließbandarbeit. Während dieser Zeit drehte Li nacheinander in den Deltas des Jangtse und des Perlflusses, in Schweden, Norwegen, den USA und Neuseeland, und erschloss über 100 verschiedene Fabriken, wobei er einen Dialog mit Menschen unterschiedlicher Positionen innerhalb der Produktion führte. Li verwendete damals eine bestimmte Form der »Echtzeit«-Aufnahmetechnik, gemischt mit Anleihen an den Dokumentarfilm, um die Aufnahmen anschließend zu fragmentieren und zu verweben und in der Um- und Neustrukturierung und Transformation Verhältnisse zwischen Mensch und Maschine zu beleuchten. Er selbst spricht von einer »illusorischen Realitätsrekonstruktion«, die er auf den Raum hin in seinen Videoinstallationen und Mehrkanalprojektionen anpasst.
Nach Ansicht von Li Xiaofei herrscht am Fließband eine Produktionsweise, die vom kapitalistischen Verlangen getrieben wird – es ist repetitiv, beständig, mechanisch, emotionslos. Gleichzeitig ist es hocheffizient und kann das Produktionsvolumen sinnvoll erweitern, um die maximale Wertschöpfung zu erzielen. Seine Beobachtung der eintönig erscheinenden Wiederholung und gleichmäßigen Beständigkeit am »Montageband« bezieht sich nicht nur auf die Maschinen, sondern auch die Menschen »dazwischen« und schließlich auf die Produkte selbst.
In seiner ersten institutionellen Einzelausstellung in Deutschland zeigt Li Xiaofei im Kunstraum München neun Videoarbeiten, deren Schwerpunkt auf seinem jüngeren Schaffen der letzten Jahre liegt. Seit 2013 erforscht Li Xiaofei in erster Linie das, was außerhalb der Ordnung des Fließbands, der kapitalistischen Fabrik, der Konsumgesellschaft, des sozialen Fortschritts und der sozialen »Vorgaben« liegt – die Realität der Menschen, die in einem hoch systematischen und institutionalisierten Umfeld leben oder agieren. In den letzten vier Jahren verfolgte er verschiedene künstlerische Ansätze, wobei nun auch »Alltagsmomente« Eingang fanden und eine nicht narrative Methode verwendet wird; ergänzend zum Arbeitsumfeld werden Landschaften und Gebäude abgebildet, Menschen aus verschiedenen Blickwinkeln gezeigt, von Detailbeobachtungen hin bis zur Totalen. Nach wie vor scheinen die Aufnahmen unauffällig produziert, die Szenen sehen alltäglich aus, doch durch diese Verschiebung bzw. Erweiterung scheint die Empathie des Künstlers mit den ArbeitnehmerInnen und ProduzentInnen durch, die Frage nach den sozialen Umständen seiner »ProtagonistInnen« gewinnt an Bedeutung.
Kuratiert von Alexander Steig
Es erscheint eine Edition.
Die Ausstellung wird gefördert durch das Kulturreferat München.
In Kooperation mit dem Konfuzius-Institut München, dem Werkstattkino München und dem Kino der Kunst.